
Frische Luft, Freiheit, unbezahlbare Erlebnisse und Familienzeit. Nach wunderschönen Sommerferien startete unsere Tochter in die erste Klasse, unser Sohn in den Kindergarten. Ich, 38, war etwas wehmütig vor diesem neuen Lebensabschnitt, freute mich aber zu gleich auf etwas mehr «Luft».
In der ersten Schulwoche hatte ich eine Biopsie am USZ. Eine Veränderung an der Zunge erschwerten das Trinken, essen konnte ich nicht mehr wirklich. «Plattenepithelkarzinom am rechten Zungenrand/Zungengrund» lautete die Diagnose am 25. August 2021. Mein Optimismus, so schlimm könne das Biopsie-Ergebnis nicht sein, liess mich allein mit dem Zug von Glarus nach Zürich reisen. Mit dieser Mitteilung im Gepäck und Tränen überflutet machte ich mich auf den Heimweg.
Die Worte meines Arztes «wenn Sie bereit sind zu heilen, heilen wir» und die meines Mannes «zusammen schaffen wir das alles» haben mich zu Unmöglichem beflügelt und eine unendliche Stärke in mir geweckt. Nur die Frage, wie sagen wir das unseren Kindern, konnte ich mir nicht beantworten. Zwischen Tiefs, 1000 Fragen, Unverständnis, Wut und Traurigkeit war auch eine riesige Kraft. Ja, wir schaffen das. Und ja, ich will heilen. Ich will meine Kinder aufwachsen sehen, etwas vom Leben haben. Nach weiteren Abklärungen wurde am 7. September 2021 der Tumor entfernt. Am 21. September 2021 wurde aus meinem linken Unterarm ein Zungentransplantat rekonstruiert, Speichendrüse und diverse Lymphknoten, welche glücklicherweise «sauber» waren, entfernt. Medizinische Möglichkeiten sowie die Ärzte und das Pflegeteam, welche mich in Zürich behandelten, begeistern mich noch immer. Ihnen gilt ein lebenslanger Dank.
Es wartete ein Weg auf mich. Aber es gab einen Weg. Zuhause, sehr gefordert mit dem Ernährungsaufbau (flüssig zu normal), wieder sprechen und schreiben (ich bin Linkshänderin 😊) «lernen» und dem Organisieren aller Termine/Therapien – wie soll das nur gehen.? Verschiedenste Therapien sowie die Organisation des Familienalltags warteten auf mich. Es war oft eine Herausforderung. Mit den Kindern haben wir von Beginn an in unsere Sprache – ihrem Alter entsprechend, aber ehrlich – gesprochen. Ich bin happy, stolz und dankbar, wie wir dies als Familie geschafft haben.
Aktuell bin ich krebsfrei und besuche regelmässige Nachsorgetermine. Das Gefühl, sich nicht mehr auf den eigenen Körper verlassen zu können, bleibt als stiller Begleiter mit unterwegs. Ein weiterer, belastender, Begleiter sind viele Schmerzen an den Operationsstellen. Sprechen kann ich wieder wie vor der Operation.
Ich bin unendlich dankbar, hatte ich einen Weg, auch wenn da Steine lagen. Unser Leben ist nicht mehr wie vorher. Unterschiedliche Reaktionen unserer Kinder haben uns gefordert, Reaktionen von aussen enttäuscht oder überrascht. Von Beginn offen und ehrlich zu kommunizieren, mich auszutauschen und es auch als positiven Teil meines Lebens zu sehen sowie bei mir zu sein und jeden Tag als geschenkter Tag zu nehmen hat mir während dieser Zeit Halt gegeben.
Die Nachricht «Du hast Krebs» kommt immer im falschen Moment. Gerne tausche ich mich mit anderen Menschen aus. Wenn ich dich auf deinem Weg unterstützen kann, kontaktiere mich – ich freue mich auf ein Kennenlernen und «hakuna matata».
« Heute ist ein guter Tag, um einen guten Tag zu haben – Astrid Lindgren »
– Mirjam Z.
Betroffene
Weiblich, 1982
Wohnhaft im Kanton Glarus
Themen
Krebsart(en)
Austausch
Ich bevorzuge den Austausch per: